Impulsunterricht

Technik „Impuls-Unterricht“
“Funk is every note, I don’t play”
(Maceo Parker)

Oder: Die Kunst liegt im Zurückhalten! Konzentration fördert man am einfachsten durch Stille.

Um Stille und Konzentration zu fördern, um zu verhindern, dass Schüler nur passiv dasitzen, ist ein Kanon an gewissen stummen Impulsen nötig. Nichts wirkt ermüdender und langweiliger als Sätze wie: „Ich hab euch da ein ganz tolles Lied mitgebracht, das macht euch bestimmt ganz viel Spaß, also seid mal schön ruhig, ich sing ich euch jetzt mal vor und ihr macht das dann nach …“, „Hallo, heute wollen wir mal was von Mozart hören, das ist ganz tolle Musik, passt mal auf, das macht superviel Spaß …“ oder „Heute wollen wir mal was ganz verrücktes machen … Guckt mal, das ist ein Xylophon und da spiel ich euch jetzt was vor …“

Ein Lehrer, der sich still vor eine Klasse stellt, eine Bewegung vormacht und mit einer kleinen Handbewegung die Gruppe auffordert einzustimmen, erreicht mehr als tausend unnötiger Worte, die voraus geschickt werden.

Reden stört (sehr oft) den Fluss.

Die Schüler wollen etwas tun! Also spart man sich nach Möglichkeit jede ermüdende Erklärung.

Die sinnvollste Steuerung geschieht über stumme Impulse. Diese Impulse allerdings sollten der spezifisch-persönlichen Art des Lehrers entsprechen. Nichts wirkt aufgesetzter und künstlicher als ein „unechter“ Impuls. Die Technik muss geübt werden und so alltäglich und selbstverständlich werden wie die Begrüßung.

Im Musikunterricht werden in der Regel folgende Impulse eingesetzt; sie sollten eindeutig und gut voneinander unterscheidbar sein. Diese braucht man in der Regel ein- bis zweimal durchzuführen, bis eine Klasse sie vollständig umsetzt.

Aufforderung, sich im Kreis aufzustellen bzw. hinzusetzen
z.B.
– Augenkontakt aufnehmen und mit den Augen zum Kreis auffordern
– mit dem Finger einen Kreis in die Luft zeichnen
– mit beiden Händen einen Kreis formen
– mit zwei Fingern einen Kreis formen
– etc.

Aufforderung, einen Puls aufzunehmen
z.B.
– die beiden Zeigefinger in die Luft strecken
– mit den Fingern auf die Füße zeigen
– mit beiden Händen überdeutlich schnipsen
– einen Einsatz geben
– etc.

Aufforderung, herzuschauen
z.B.
– einen Finger in die Luft strecken
– mit den Zeigefingern auf die Augen deuten
– eine Hand erheben
– einen Strich mit beiden Händen ziehen, anschließend auf sich deuten
– etc.

Aufforderung, herzuhören
z.B.
– die gespreizte Hand in die Luft strecken
– mit den Zeigefingern auf die Ohren deuten
– die Handflächen vor dem Kopf nach außen drehen
– mit den Händen am Ohr lauschen
– etc.

Somit kann sich eine Eröffnungsphase rein nonverbal gestalten; kein überflüssiges Wort wird gesprochen, eine gewisse gespannt-ruhige Atmosphäre wird erzeugt.

Um eine Erarbeitung so nonverbal wie möglich zu gestalten, muss der Kanon an stummen Impulsen etwas vergrößert werden, wobei nach wie vor berücksichtigt werden muss, dass die Impulse eindeutig und gut zu unterscheiden sein müssen.

Aufforderung, erneut herzuhören
z.B.
– „energisch“ auf die Ohren deuten
– Kopf schütteln und erneut auf die Ohren deuten
– mit beiden Händen eine Linie ziehen und wieder auf die Ohren deuten
– etc.

Aufforderung, nachzuahmen
z.B.
– eine auffordernde Geste mit beiden Händen
– auf die Gruppe deuten
– mit den Fingern einzählen
– etc.

Aufforderung, abzubrechen
z.B.
– kurz in die Hände klatschen
– ein T formen („time out“)
– mit dem Zeigefinger eine Linie ziehen
– etc.

Aufforderung, den Puls erneut aufzunehmen
z.B.
– mit den Fingern einzählen
– einen Einsatz geben (mit Händen oder durch Nicken)
– beide Zeigefinger in die Luft strecken
– etc.

Aufforderung, den Puls (trotz Fehler) durchlaufen zu lassen
z. B.
– Kringel mit dem Zeigefinger in die Luft malen
– aufmunterndes Heben der Hände
– mit beiden Händen Rollen beschreiben
– etc.

Aufforderung, etwas besonders zu beachten
z.B.
– einen Zeigefinger in die Luft strecken
– an die Stirn tippen
– fünf Finger in die Luft strecken
– etc.

Aufforderung, etwas leiser bzw. lauter zu gestalten
z.B.
– eine abschwächende bzw. auffordernde Bewegung
– die Arme weit öffnen (crescendo) bzw. eng zusammenführen (decrescendo)
– mit einer Hand „antreiben“ bzw. einen Finger an den Mund legen
– etc.

Je nonverbaler sich eine Einheit gestaltet, um so mehr steigern sich sowohl Motivation als auch Konzentration in der Gruppe.

Weiterhin sind Gesten oder Mimiken für die Belobigung empfehlenswert. Nicht das: „Nein, versucht es noch mal – wieder falsch!“ sollte von Relevanz sein, sondern vielmehr das: „Soweit seid ihr doch schon, der Rest klappt jetzt auch noch!“

Auch wenn man sich hierfür manchmal überwinden muss (oft hat man halt das Gefühl, dass es einige nie lernen und somit eine positive Verstärkung zunächst nur schwer von den Lippen geht …) der Ertrag für die positive Verstärkung ist – hat man sich erst einmal damit angefreundet – um ein Wesentliches größer als die ewige Korrektur … Für manche Schüler ist es schon eine nahezu an die Grenzen gehende Leistung, einen Takt zu halten. Je genauer dies erkannt wird und je deutlicher das kleine Wachstum vom Lehrer hervorgehoben wird, umso motivierter wird der Schüler.

Dies ist keine neue Erkenntnis; wir wissen es – wir vergessen es leider sehr oft…

Positive Verstärkung
z.B.
– den Daumen nach oben heben
– ein positiv-überraschtes Gesicht machen
– lächeln, lächeln, lächeln
– ein Zeichen für „Jawoll, ihr habt´s“ einführen
– etc.

Wird soviel wie möglich mit stummen Impulsen gearbeitet, wird sich auch das leidliche Disziplinieren anders gestalten; oft reicht hier nur eine gehobene Augenbraue oder das gezielte Zugehen auf den Verursacher, um wieder die gewünschte Arbeitsatmosphäre wieder herzustellen.

In Gesprächsrunden ist es manchmal sinnvoll, nicht „rein“ nonverbal zu agieren. Gezielte Impulse verhindern, dass Schüler in ihrem Denken beschnitten werden.

Fragen wie: „Welches Instrument war das?“ oder „Wo war denn das Fagott?“ können zwar bei manchen Schülern zu gewünschten Antworten führen, lassen aber manche oft in eine gewisse „Verbraucherhaltung“ fallen: die Ergebnisse sind oft knapp, meist „Einwortsätze“: „Trompete.“ Oder „Ei, am Anfang …“

Unter Umständen will ein Schüler gerade mitteilen, dass er zur Trompete noch die zweite Geige gehört hat – für diese Antwort gäbe es hier keinen Platz, obwohl der Beitrag von Wichtigkeit wäre.

Ein weiteres „Gift“ stellt die Entscheidungsfrage dar: „Habt ihr das am Anfang gehört?“ kann ja nur die Antwort ja oder nein zulassen. Die Frage: „War da eine Trompete oder ein Klavier?“ kann man mit 50%iger Sicherheit richtig beantworten …

Der Impuls: „Beschreibt doch einmal die Stimmung“ oder „Versucht einmal, der Musik eine Überschrift zu geben“ oder „Denkt noch einmal an den Anfang …“ lässt eine ganz andere Qualität von Antworten, Assoziationen und Vermutungen bis hin zum Anbringen von Fachwissen zu.

Die Arbeit mit Impulsen gestaltet sich anfangs schwierig. Das ist normal. Oft wirkt die Lehrersprache gestelzt, man empfindet die Impulse als „aufgesetzt“, „losgelöst“ oder „künstlich“.
Diese Empfindungen wird man allerdings nur anfangs haben. Mit gewisser Übung stellt sich Routine ein, deren Ergebnisse sich in der Qualität der Schüleräußerungen und auch im generellen Schülerverhalten niederschlagen.

Mehr sagen – weniger fragen!
Mehr zeigen und vormachen – weniger bereden und problematisieren!
(Hilbert Meyer, Unterrichtsmethoden II, S. 206)

(Anm.: „Sagen“ bezieht sich hier auf „eine Aussage machen“ und nicht auf bloßes Drauflosreden)