Singstar
SingStar
Völlig verblüffende Ergebnisse, die oft in einem nicht mehr enden wollenden Singtrieb enden, erreicht man mit der PlayStation 2, einer äußerst beliebten Spielekonsole von Sony und dem Spiel SingStar.
Um es vorweg zu nehmen: SingStar ist – entgegen vieler Behauptungen – kein Karaoke-Spiel, denn im Gegensatz zum Karaoke-Gesang singt man bei der Spielvariante von Sony zu einer Originalaufnahme, d.h. die Stimme des ursprünglichen Interpreten ist nach wie vor vorhanden und somit zusätzlich zur eigenen hörbar. Diese Form des zum-Original-Singens bietet zwar eine gewisse Orientierungsmöglichkeit, unterscheidet sich aber genau in diesem Punkt vom Karaoke.
Nichtsdestotrotz ist der Aufforderungscharakter bei SingStar um einiges größer, denn SingStar ist ein Spiel. Ein äußerst interessantes noch dazu. Das Prinzip ist so einfach wie genial: Ein oder zwei Sänger singt/singen in je ein Mikrofon, die Töne werden analysiert und mit denen des Originalinterpreten hinsichtlich der Parameter Tonhöhe und Tondauer verglichen. Dieser Vergleich geschieht unmittelbar und wird graphisch – ähnlich dem Key- oder Matrixeditor von Sequenzerprogrammen – durch entsprechend hohe bzw. lange Balken in einer Art relativer Notation auf dem Fernseher dargestellt, indem die gesungenen Töne (rot oder blau) zu den erwarteten (grau) eingeblendet werden. Je genauer der Ton in seiner Höhe getroffen und je präziser er in der Tondauer ausgehalten wird, desto mehr wird der graue Balken überdeckt und umso mehr Punkte erhält der Sänger.
SingStar wird in der Grundausstattung mit dem USB-Adapter, zwei Mikrofonen und einer DVD, welche aus einer Reihe von bislang neun Teilen stammt ausgeliefert. Weitere Folgen sind geplant bzw. werden mit der im Frühjahr erscheinenden PlayStation 3 zum Einzel-Titel-Kauf online angeboten – eine äußerst sinnvolle Entscheidung, da zwar auf jeder DVD mit je 30 Titeln etwas für jeden Geschmack dabei ist, auf der anderen Seite allerdings auch immer wieder Titel mitgekauft werden, die nicht dem persönlichen Geschmack entsprechen.
Zu Beginn wird der Spielmodus (leicht/mittel/schwer) gewählt, dem die Auswahl des Spieles folgt. Die Modi „messen“ ihrer Stufe entsprechend genau, d.h. je schwerer der Modus, desto genauer die Messung und umso schwieriger wird es, zu punkten. Bei den Spielen gibt es zunächst zwei Grundspiele, Solo und Party (Gruppe), von denen das Gruppenspiel nochmals in Duett (zwei Sänger bzw. Gruppen singen miteinander), Duell (zwei Sänger bzw. Gruppen singen gegeneinander), „Gib-das-Mikro-weiter“ (ein Spiel für Gruppen und in der Schule sehr beliebt) und SING-SONG (das gute alte Tennis-Tele-Spiel, bei dem nun die Spieler mit der Stimme – hoher Ton führt den Spieler nach oben, tiefer Ton nach unten), welches für Stimmbildungsübungen prädestiniert ist, unterteilt wird.
Bei den Schülern besonders beliebt ist das Duell, hat es doch aufgrund der „Battle-Ähnlichkeit“ einen gewissen „Hip-Hop-Charakter“. Duelle lassen sich zu zweit oder in zwei Gruppen spielen, derart, dass immer zwei Sänger oder zwei Gruppen gegeneinander singen. Dies kann entweder durch gleichzeitiges Singen oder durch Weitergabe des Mikrofons geschehen.
Zu Anfang gilt es, den richtigen Song zu finden. Hier eignen sich vor allem die DVDs „Deutsch Rock-Pop“ und „’80s“, welche sich mittlerweile auch in vielen Videotheken gegen Gebühr ausleihen lassen, wobei auch „Party“ und „Rocks!“ sehr beliebte Titel enthalten. Alle Titel lassen sich kurz anhören, was sehr sinnvoll ist, da vielen Schülern zwar der Song bekannt ist, Titel und/oder Interpret für sie allerdings weniger aussagekräftig sind. Hat man sich auf einen Song geeignet (verblüffendes Phänomen: in nahezu allen achten und neunten Klassen war ausgerechnet „Tokio Hotel“ der Favorit, dicht gefolgt von „Nena“, „Xavier Naidoo“ „Ayman“ und „Söhne Mannheims“), beginnt das Duell.
Oben links wird die Zeit angezeigt, in der Reihe darunter links die Punktzahl von Spieler 1 (blau), daneben der Erfolgsfortschritt. Auf der rechten Seite wird das Adäquat von Spieler 2 (rot) dargestellt. Der Erfolgsfortschritt errechnet sich aus der Punktezahl, welche für jede Phrase gegeben wird. Eine Phrase entspricht dem Melodiverlauf, welcher auf dem Fernseher dargestellt wird und hat in der Regel ein bis zwei Takte. Ähnlich wie beim Karaoke wird der Text unten zunächst grau dargestellt und dann dynamisch-animiert, d.h. das Wort, welches gerade gesungen wird, wird grün eingefärbt.
Jede Phrase wird unmittelbar hinsichtlich Tonhöhe und Tondauer analysiert, mit dem Original verglichen, und dann bewertet. Diese Bewertung erfolgt in drei Stufen, deren Formulierung zunächst befremdlich wirkt: roter Bereich (grausam, mies), gelber Bereich (O.K.), grüner Bereich (gut, cool). Diese drastischen Formulierung schrecken allerdings interessanter Weise nicht ab sondern sorgen vielmehr lediglich für Erheiterung. Nach jeder Phrase erfolgt die Punktewertung, was zusätzlich am Fortschrittsbalken, der dann entsprechend rot, gelb oder grün ist, dargestellt wird.
Bisweilen sind im Song bestimmte „goldene Töne“ hervorgehoben, für die es dann Bonuspunkte gibt. Von dieser Art des Punktgebens sind dann die übrigen Spiele geprägt. So kann man Spiel wählen, bei denen der Song endet, wenn jemand die 5000-Punkte-Marke erreicht hat, Spiele die enden, wenn jemand in den gelben Bereich abfällt oder solche, bei denen nach gewissen Passagen das Mikrofon an den nächsten in der Gruppe weitergegeben werden muss.
Aufgrund der „relativen Notation“ von SingStar lässt sich ein weiterer Nebeneffekt erzielen: das Erkennen und Lesen einer (eindeutigen) graphischen Notation. SingStar stellt die Noten auf einer 10-Stufen-Skala dar, so dass die Tonhöhe relativ einfach erkannt werden kann. Die Tondauer wird in entsprechender Länge dargestellt. Hiervon ausgehend, kann man gewisse Liedpassagen graphisch darstellen, welche erlesen werden sollen. Es ist erstaunlich, wie schnell manche Schüler tatsächlich „vom-Blatt-Lesen“ können bzw. wie viele Schüler aufgrund dieser Darstellung Einsicht in die Notenkonvention bekamen.
Welches Spiel man auch spielt – der Aufforderungscharakter einer PlayStation ist derart hoch, dass man nahezu unglaubliche Ergebnisse erzielen kann: plötzlich sieht man sich Siebt-, Acht- und Neuntklässern gegenüber, die sich darum reißen, alleine zu singen, die wissen wollen, wie man mehr Punkte kriegen kann und „wie das mit den langen Tönen da geht“, die sich für Stimmbildung interessieren („Wie kriegt man denn den Ton?“), die Liedtexte üben und an sauberer Intonation interessiert sind – natürlich alles mit dem Ziel, maximale Punktzahl zu erreichen …
„Jemanden-von-der-Liste-Singen“ wurde bei uns zu einem geflügeltem Wort und es ging an meiner Schule sogar so weit, dass Klassen, welche keinen Musikunterricht mehr haben, darum baten, am Ende ihrer Unterrichtszeit noch eine Stunde singen zu dürfen – freiwillig.
Weitere Informationen und Material gibt es hier.