Mitspielsatz
Mitspielsatz
Der so genannte „Mitspielsatz“ entwickelte sich mit der Verbreitung des Mediums Schallplatte bzw. Kassette. Anfangs kritisch betrachtet (man sprach von einer sklavischen Gebundenheit an das Tempo des Tonträgers), hat er sich mittlerweile weitestgehend etabliert; vor allem im Bereich der Musik der Charts.
Der Markt hierfür ist gut gefüllt; für nahezu jedes populäre Stück Musik wurde bereits für zahlreiche, variable Klassenensembles geschrieben. Die Kritik an Mitspielsätzen zur klassischen Musik, stellt immer wieder die Aussage, es handle sich hierbei um Aktionismus, denn eine „Auseinandersetzung“ mit dem Werk würde nicht stattfinden, in den Mittelpunkt.
Mit Sicherheit erkennt ein Schüler, welcher zur Sinfonie mit dem Paukenschlag „mitklöppelt“ nicht die tiefer reichenden Prinzipien einer Sonatenhauptsatzform. Ob er diese allerdings hörend (und zusätzlich tafelbildabschreibend) erkennt, darf durchaus in Frage gestellt werden.
(Abb. : graphisch notierter Mitspielsatz zu „Farandole“ aus L’Arlésienne-Suite Nr. 2, Georges Bizet; aus: Neuhäuser, Reusch, Weber: „Musik zum Mitmachen“, Frankfurt 1982, S. 16)
Von daher ermöglicht ein Mitspielsatz die handelnde Auseinandersetzung mit einem Werk. In der Regel sind diese Sätze derart arrangiert, dass sie spezielle Eigenschaften eines Werks in den Mittelpunkt stellen. So können beispielsweise
– Kerntöne bzw. Kernmotive herausgearbeitet und mitgespielt,
– klangliche Akzente gesetzt bzw. hinzugefügt,
– ganze Passagen unverändert mitgespielt oder
– Grundharmonien musiziert werden.
Darüber hinaus sind die meisten Mitspielsätze derart aufgebaut, dass
– schwierigere Melodien auf elementar-wichtige Töne bzw. Motive reduziert
– größere Melodiepassagen auf verschiedene Instrumentalisten verteilt
– Begeleitstimmen vereinfacht und
– Rhythmen auf das „Wesentliche“ beschränkt
werden.
Der jeweilige Schwerpunkt hängt vom Vermögen der Klasse und dem Schwierigkeitsgrad des Stückes ab. Sah man sich bisher noch der Problematik schwer umsetzbarer Tonarten gegenübergestellt, lässt sich dies im Zeitalter des PCs mithilfe von Wav-Bearbeitungsprogrammen oder Midi-files durchaus umgehen, indem man ein Stück „scratchen“ (d.h. die Tonart einer CD verändern) oder das Midi-file transponieren kann.
(Abb. : vereinfacht notierter Mitspielsatz zu „Farandole“ aus L’Arlésienne-Suite Nr. 2, Georges Bizet; aus: Neuhäuser, Reusch, Weber: „Musik zum Mitmachen“, Frankfurt 1982, S. 17)
Mitspielsätze für Musikstücke der Zeit vor 1900 werden in der Regel mit Orffschem Instrumentarium begleitet bzw. ergänzt. Inwieweit hier eine „groovige“ Erarbeitung (in Kreisform mit Stampfen auf „eins“ und „drei“ und Schnipsen auf „zwei“ und „vier“) noch „werkgetreu“ ist, mag jeder für sich beantworten. Eine Stärke des Mitspielsatzes liegt in der handlungsorientierten Arbeit mit dem Notenbild.
Oft bietet es sich hier an, „traditionell“, d.h. sowohl über das Notenbild als auch über Ohr, also „audiovisuell“ (wenngleich in der Literatur oft von „oral vermittelter Musik“ gesprochen wird) zu arbeiten.
Gerade im Mitspielsatz ist es möglich, dass Schüler selbständig Melodien bzw. Rhythmen über das Notenbild erarbeiten können.
Da eine ganze Reihe von „Anfängersätzen“ erhältlich ist, kann auch gewährleistet werden, dass eine Schülergruppe relativ schnell produktorientiert (also aus Schülersicht „auf Erfolg zielend“) arbeiten kann.
(Abb. : traditionell notierter Mitspielsatz zu „Farandole“ aus L’Arlésienne-Suite Nr. 2, Georges Bizet; aus: Neuhäuser, Reusch, Weber: „Musik zum Mitmachen“, Frankfurt 1982, S. 17)
Denn hierin liegt eine Stärke: Oft „klingen“ sie „trocken gespielt“ (also ohne optionales Orchester bzw. Band im Hintergrund) etwas „dünn“. Zusammen mit der Aufnahme gespielt, ist oft eine größere Motivation erkennbar; es macht einfach Freude, mit einem großen Orchester bzw. einer Band zu spielen, denn Mitspielsätze sind auch (vor allem in den aktuellen musikpädagogischen Zeitschriften) zur „aktuellen Musik“ erhältlich.
Viele Mitspielsätze sind für den „Extremfall“ konzipiert, d.h. sie sind oft mehr als achtstimmig ausnotiert; zwei- bis dreistimmiger Gesang ist keine Seltenheit. Diese Konzeption soll keine Panik erwachen lassen! Diese Kompaktarrangements sollen nicht Frustration beim Lehrer auslösen; es ist allerdings wesentlich einfach, gewisse Stimmen situations- und klassenbezogen zu reduzieren, als in ein kompaktes Arrangement zusätzliche Stimmen einzufügen.
Somit ist es mit Hilfe von Mitspielsätzen möglich, Stück für Stück das Vermögen einer Klasse zu steigern bzw. neue Instrumente einzufügen, auf Vorerfahrungen anzuknüpfen, um sie zu erweitern und darüber hinaus den Umgang mit dem Notenbild „spielerisch“ zu vertiefen.
Eine durchaus sinnvolle Übung beim Mitspielsatz kann darin bestehen, das Werk „mental“ mitzuspielen. Weiterhin steigern Phasen, in welchen das „Original“ ausgeblendet wird die Motivation.